Wir werden uns nicht ändern. Oder doch?

Liebe Leserinnen und Leser,

in den letzten Tagen und Wochen wurde oft gefragt, ob uns die Corona Krise verändern wird. Die Welt danach wird anders aussehen als vorher – so die Aussage von vielen.

Ein Kollege von mir aus Süddeutschland wurde schon vor etlichen Wochen gefragt: „Verändern wir uns durch die Krise?“ Und seine Antwort war: „Nicht wirklich! Hoffentlich verändern wir unser Verhalten hin zu mehr Mitmenschlichkeit, weniger Gier und mehr Bewahrung der Natur. Aber unser Herz und uns selbst kann allein Jesus Christus verändern.“

Die Antwort hat mich lange bewegt, vor allem das „Nicht wirklich.“

Ja, wir hätten die Möglichkeit, jetzt vieles zu ändern. Und ich möchte Ihnen 3 Bereiche nennen, wo es nötig wäre.

  1. Klimaschutz. Wir können alle wissen – wenn wir es denn wissen wollen – dass unser Lebensstil auf Kosten der nachfolgenden Generationen geht. Nur wer nicht „ganz bei Trost ist“, wird den Klimawandel leugnen. Wer in der letzten Zeit im Wald unterwegs war und ist und den Zustand des Waldes sieht, dem treibt es die Tränen in die Augen…

Natürlich haben die Anliegen der „Fridays for Future“ Demonstrationen  ihr Recht. „Corona hat mehr für den Umweltschutz getan als alle bisherigen Regierungsprogramme…“ so sagt der Spiegel. Ist das nicht traurig! Muss man wirklich 2 Schifffahrten und 2 Flugreisen im Jahr machen, auch wenn man es sich finanziell leisten kann…?

Jetzt, wo wir uns wirtschaftlich neu aufstellen müssen, wäre die Chance, dies auch verbunden mit den Anliegen des Umweltschutzes zu tun.

Zu viele aber wollen dies nicht. Da geht es Manchem nur um den Profit.

  1. Bezahlung in der Pflege. Wir alle haben erlebt, welch ein bewundernswerter Einsatz im Bereich der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in den letzten Monaten geleistet wurde. Wie verheerend es ist, wenn man das Gesundheitssystem „zu Tode spart“, musste Großbritannien auf traurige Weise erleben.

Alle haben vorher gesagt: „Für die Pflege muss mehr getan werden, z.B., dass Altenpflegerinnen deutlich mehr bezahlt bekommen müssen, auch, damit Anreize geschaffen werden, dass Menschen diesen Beruf ergreifen,“ aber nicht nur deshalb…

Nach Corona ist nun die Gelegenheit, dies umzusetzen. Stattdessen diskutieren wir schon wieder darüber, ob Manager von Großfirmen, die vom Staat für die Firma Kurzarbeitergeld erhalten, Boni ausgezahlt bekommen dürfen…

Werden wir uns ändern? Nicht wirklich. Ja, ich befürchte eher, dass die Schere von Arm und Reich weiter auseinander geht – bei uns und weltweit.

  1. Ich zuerst. Ich finde unsere Politiker haben die Krise – mit allen „Lernfehlern“ grundsätzlich gut gemeistert. Jetzt, wo es um erste Lockerungen geht, wird es für mich kritisch. Einzelne Ministerpräsidenten, die vorpreschen; ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen; Sonderregeln für die Fußball Bundesliga…

Bei allem Verständnis dafür, dass die Situationen in Landkreisen und Regionen unterschiedlich ist, aber dieser Drang seine „Lobby“ und „Klientel“ zu „bedienen“, irritiert mich sehr. So mancher Politiker scheint direkt aus dem Krisenmodus in den Wahlkampfmodus zu schalten und seinen Wählerinnen und Wählern Geschenke zu verteilen.

Wir sind alle sehr dankbar für die Menschen in den „systemrelevanten Berufen“, die in der akuten Krise weiterhin und auf großartige Weise ihre Arbeit getan haben und tun. Ein stellvertretender Dank von mir einmal an die Kassiererinnen an den Kassen unserer Lebensmittelmärkte!!

Wir haben auch tolle Beispiele gelebter Nachbarschaftshilfe und von Mitmenschlichkeit erlebt. Gott sei Dank!

Dies dürfen wir nicht wieder opfern durch das Denken „Ich zuerst“… doch leider haben unsere Politiker dabei zuletzt wieder verstärkt gezeigt, dass sie nicht frei davon sind, doch wieder zuerst an sich zu denken.

Wir werden uns nicht ändern. Oder doch?

Entschuldigung, wenn diese Andacht etwas politischere Töne angeschlagen hat. Ausdrücklich möchte ich noch einmal betonen: Ich bin dankbar für die Politiker in unserem Land.

Und ich möchte auch sagen: Ich bin kein Politiker. Und will es auch gar nicht sein. Aber die biblische Botschaft hat natürlich auch eine politische Dimension (lesen Sie das Buch Amos!). Auch der christliche Glaube ist nicht unpolitisch. Er hat die Schwachen im Blick. Gott geht es um Gerechtigkeit. Und: Gott möchte, dass wir alle gut leben können.

Wie war nochmal die Antwort meines Kollegen? „Hoffentlich verändern wir unser Verhalten hin zu mehr Mitmenschlichkeit, weniger Gier und mehr Bewahrung der Natur. Aber unser Herz und uns selbst kann allein Jesus Christus verändern.“

Ja. Unser Herz kann allein Jesus Christus verändern.

Unsere Welt wird nach Corona anders aussehen als vorher. Aber hat sie sich wirklich verändert? Nein. Aber ich bete dafür, dass Gott mich und uns verändert.

 

Ihr Paul-Ulrich Rabe, Pfarrer