Aus der Vergangenheit der Wissenbacher Kirche

Für Wissenbach und seine Umgebung war Haiger der kirchliche Mittelpunkt, seitdem Bonifatius etwa um das Jahr 740 in unserer Gegend gewirkt hatte. Er hatte vom Papst den Auftrag, die schon getauften Fürsten und Völker unter der Obhut der röm.-kath. Kirche zusammenzufassen.

Es war in der Zeit, in der durch die fränkische Siedlungswelle die Orte mit der Namensendung  „ …-hausen“ entstanden. Danach mag in Hilgeshausen als Stützpunkt eine kleine Kapelle entstanden sein in Verbindung mit dem Hilgeshäuser Hof, dessen Hausstätte rechts vom jetzigen Forsthaus lag. Von dem uralten Höhenweg, der sich über die Struth zog, führte dort, wo sich die Wissenbacher und die Ewersbacher Grenze berühren, ein Seitenweg hinab zu dieser Stätte und verband sie mit Haiger und seiner Taufkirche. Hier klicken und weiterlesen in: „Studie über den mutmaßlichen Weg des Christentums in frühester Zeit ins Dietzhölztal.“

Als um das Jahr 1450 Frohnhausen Kirchspieldorf wurde und in Wissenbach aus einzelnen Höfen ein Dorf entstanden war, verlor diese entlegene Stätte ihre Bedeutung und verfiel. Geblieben ist in Wissenbach nur noch die Redewendung: „Wir gehen ins Hilgeshausen“. Alle anderen Seitentälchen sind nach ihren Bächen benannt: Hachbach, Schoppbach und Batzbach.

Obwohl die Wissenbacher nun nach Frohnhausen in die Kirche gingen, muss wohl der Wunsch, eine eigene Kapelle zu haben, sehr bald verwirklicht worden sein. Aus dem Jahr 1512 berichtet uns eine Urkunde: „Die Pfarr zu Frohnhausen hat neben sich die Capell zu Wissenbach“.

Soweit bekannt ist, war diese Kapelle keinem Heiligen gewidmet. Sie stand auf dem Gelände des Wissenbacher Hofes, dessen Besitzer im 15. Jahrhundert eine große Rolle spielten. Jetzt stehen an der Stelle (oberhalb der Metzgerei Kretzer) zwei Scheunen, in deren Grundmauern noch Steine von jener Kapelle enthalten sein sollen.

Das Glöckchen dieser Kapelle läutete, wenn jemand gestorben war und auch, wenn die Dorfbewohner aus irgendeinem Grund zusammengerufen wurden. Es mahnte zum Gebet und rief die Kinder in die Schule. In ihrem Huldigungseid, den die Männer dem Dillenburger Grafen leisten mussten, versprachen sie, dem Glockenschall zu folgen. Im Jahr 1729 wurde es durch eine neue Glocke ersetzt. Zu der Zeit hatte Wissenbach einen fleißigen Tagebuchschreiber:  Johann Daniel Franz. Er berichtet von dem Glockenguss:

„Den 16. Junius ist die Form zu der Glocken zu gießen bei der Linden angefangen und gemacht. Den 27. Junius ist sie gegossen worden und ist Gott sei Dank wohlgeraten, dass sie wohl geflossen und mit Klang und allem wohlgeraten, dass nicht ein Fehler zu spüren oder zu tadeln ist.

Am 27. Tag Junius, als Gertraud, Jacob Enseroths Hausfrau gestorben, hat man derselben noch mit der alten Glocke geläutet und den 29., als sie nach dem Kirchhof ist getragen worden, hat man ihr mit der neuen Glocke geläutet, welches niemalen geschehen noch erhöret worden.
1729 Gott ist mein Heil, Gott ist meine Ehr.“ Bei dem letzten Satz wird es sich um die Inschrift auf der Glocke handeln.

Aus dem Brandkataster ist zu ersehen, dass die Glocke einen Durchmesser von 2 bis 2 ½ Schuh (1 Schuh = 39 cm) hatte. Der Kirchhof lag übrigens nicht direkt bei der Kirche, sondern es war damals schon der sogenannte „alte Kirchhof“. Bis zu den schlimmen Pestzeiten am Ende des 16. Jahrhunderts waren die Wissenbacher bei der Frohnhäuser Kirche beerdigt worden. Dann wurden sie den „Hohen Rain“ hinaus getragen und auf dem Grundstück beerdigt, das in alten Flurbüchern „Auf’m Todegarten“ heißt. Später war es Wiesenland für die Gemeindebullen und danach war es Müllabladeplatz.

Dass die Glocke „bei der Linden“ gegossen worden ist, erinnert an die alte Ziegelei, die unterhalb der großen Lehmgrube lag, aus der jahrhundertelang der Lehm für Wissenbachs Häuser geholt wurde. Sie lag unterhalb des alten Ortskerns „unter der Linde“, so hieß der Flurname noch, als schon lange keine Linde mehr da stand. Dort konnte dann das geschehen, was Schiller so beschreibt: „Festgemauert in der Erde steht die Form, als Lehm gebrannt.“

Von der Größe der alten Kapelle können wir uns auch eine Vorstellung machen. Lehrer Manderbach schreibt in der Schulchronik: „Da in früherer Zeit die Gemeinde Wissenbach aus einer geringen Anzahl Familien bestand, so hatte dieselbe auch nicht nötig, eine große Kapelle zu bauen. Sie baute deshalb eine, welche 24 Schuh lang und 18 Schuh breit war (7,20 m x 5,40 m) an die Dillenburger Straße. Im Jahr 1750 fand sich aber die Gemeinde genötigt, noch ein Stück von 26 Schuh (7,80 m) Länge an die die vorerwähnte Kapelle anzubauen.“

Die Kosten von diesem Erweiterungsbau hat Johann Conrad Franz (1750 – 1754 Heimberger zu Wissenbach) wie folgt aufgeschrieben:

Von der Kircherbauung des Jahres 1750:

Februar mit Johs. Krenzel Accord die Kirch zu bauen: 75 Florin
März mit Melchior Weber Maurerarbeit: 1100 Florin
Mai mit Jost Lickof Schreinerarbeit: 60 Florin
April mit Wilhelm Leimendecker von Neuhütte zu decken Nägel
dazu 18 ½ tausend Speichernägel und 62 Decknägel   : 60 Florin 29  Albus
das macht zusammen: 1305 Florin 29 Albus

Die Kanzel bezahlt die junge Mannschaft: 13 Florin 15 Albus
Collekten von den Gemeinden Eibach, Donsbach, Nanzenbach, Niederscheld, Oberscheld, Offilln,Dillbrecht, Dillenburg, Rodenbach, Steinbach,Niederroßbach und Fellerdilln, insgesamt 53 Florin
Maerz 25.1751 Jud Jona Löb von Herborn: 15 Albus
desgleichen von seinem Bruder: 15 Albus

Zum Vergleich: 1775 verdiente ein Hüttenarbeiter in der Woche, sofern die Hütte im Gang war, 2 Florin, 7 Albus. Das geschah 25 bis 35 Wochen im Jahr.
1 Florin = 55 Kreuzer, 1 Kreuzer = 4 Pfennig, 8 Pfennig = 1 Albus.

Am 7. Mai 1879 wütete ein Großfeuer in Wissenbach, das diese Kapelle sowie das halbe Dorf in Schutt und Asche legte. Die Glocke lag zerschmolzen in den Trümmern, und in manchen Häusern in Wissenbach wurde noch lange ein Metallstück vom „Glockenschmolz“ aufbewahrt. hier klicken und weiterlesen in: „Brand und Wiederaufbau“

Als die größte Not der Brandgeschädigten gelindert war, wurde eine neue Kirche erbaut. Davon berichtet die Wissenbacher Schulchronik: „Während des Sommers 1880 wurde mit dem Bau einer schönen, neuen Kirche begonnen. Bisher hat die Arbeit einen ungestörten, glücklichen Verlauf genommen.“

„Am 20. Juli 1881 wurde die neue Kirche eingeweiht durch Consistorialrat Ohlig, Wiesbaden. Architekt Hofmann, Herborn, hatte den Plan gemacht.“

„Im Frühjahr 1890 wurde unsere Kirche mit einer Uhr geschmückt.“

1911 bekam Wissenbach elektrisches Licht. Die Anlage für die Kirche bezahlte G. Jung, Eibelshäuser Hütte.“

Bisher fanden Trauungen in der Frohnhäuser Kirche und Taufen zu Hause statt. Die erste Trauung in der Wissenbacher Kirche war am 12.9.1899. Getraut wurde Heinrich Wilhelm Weil, geb. 19.2.1873, mit Christine Wilhelmine Martin, geb. 7.10.1873 in Straßebersbach. In Vertretung von Pfarrer Hief, Frohnhausen, traute Pfarrer Lotz aus Eibelshausen.

Soweit die Schulchronik. Aus Akten, die im Staatsarchiv Wiesbaden aufbewahrt werden, ist zu entnehmen, dass der Bau der neuen Kirche 16 150 Mark gekostet hat. 13 450 Mark erstattete die Brandversicherung. 900 Mark kamen durch Kollekten der umliegenden Gemeinden zusammen. Es blieben für die Gemeinde noch 1800 Mark zu bezahlen. Nach sorgfältiger Prüfung des Vermögens und der Leistungsfähigkeit der durch den Brand so sehr verarmten Dorfbewohner kam die Gemeinde zu dem Schluss, dass sie 913 Mark selbst aufbringen könnte und stellte einen Antrag auf einen staatlichen Zuschuss von 887 Mark. Dieser wurde, obwohl befürwortet vom Landrat, abgelehnt mit der Begründung, dass „zu bereits ausgeführten Bauten und zur Abtragung von Bauschulden Gnadengeschenke nach bestehender Regel nicht gewährt werden“.  Das wird die Gemeinde hart getroffen haben. Es war jene Zeit, wo die Männer oft hier keine Erwerbsmöglichkeit fanden und als Bergleute ins Siegerland wanderten (1890 verdiente ein Bergmann bei einer 12-Stunden-Schicht 30 – 32 Mark im Monat, Hüttenarbeiter noch weniger. Ein Doppelzentner Brotmehl kostete 36 Mark).

So wird es manches Opfer gekostet haben, den Bau zu errichten, in dem nun seit hundert Jahren die frohe Botschaft von Jesus Christus verkündigt werden darf. Hilda Weg (aus „Evangelische Kirche Wissenbach 1881 – 1981)

Von der Filialgemeinde zur selbstständigen Gemeinde

Da in den Jahren 1773 noch Manderbach und 1818 Nanzenbach als weitere Filialorte  zur Pfarrei  Frohnhausen gekommen waren, war es für einen Pfarrer sehr schwierig, 4 Gemeinden und 4 Kirchen, noch dazu zu Fuß, zu versorgen.

Erst im Jahr 1920 wurde eine Hilfspredigerstelle gegründet. Die Prediger wohnten bei Julie Erhardt, die ihr Haus auf Rentenbasis der Kirchengemeinde zur Verfügung gestellt hatte. Diese Stelle war in der Folgezeit, außer während des Krieges, auch immer besetzt, wenn auch die Hilfprediger oft wechselten. Eine Stütze für sie war der Kirchenvorsteher Kroh, der den meist jungen Pfarrvikaren beim Einleben in die Gemeinde zur Seite stand.
Im Jahr 1923 wurden von dem Dorflehrer Georg Müller der Kirchenchor und der CVJM gegründet.
Pfarrer Paul Preis (1923 – 1925) berichtet in „Evangelische Kirche Wissenbach 1881 – 1981″, dass er während der Inflation nach Wissenbach zog und der Transport seiner Bücherkiste von Frankfurt nach Wissenbach 585 Milliarden Reichsmark kostete.
In der Zeit von Pfarrer Rudolf Schwedes (1934 – 1936) schlossen sich Gemeinde und Pfarrer der „Bekennenden Kirche“ an.

Während des Krieges wirkte Pfarrer Karl Hahn unerschrocken in allen 4 Gemeinden. Unermüdlich war er im Einsatz. Besonders lagen ihm die Trauernden und Kranken am Herzen und er hatte die schwere Aufgabe, zu den Familien der Gefallenen zu gehen und sie seelsorgerlich zu betreuen.
Jeden Sonntag war er zu 4 Gottesdiensten mit dem Fahrrad bzw. nach Nanzenbach zu Fuß über den Berg unterwegs. Nie nahm er sich ein Blatt vor den Mund, auch nicht bei Beerdigungen, Taufen oder Konfirmationen. Sein einziges Anliegen während seiner langen Amtszeit war, der Gemeinde die frohe Botschaft von Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen zu verkündigen, so bekräftigte er in seiner Abschiedspredigt.
Pfarrer Hahn war von 1925 – 1950 Pfarrer in Frohnhausen.

Gleich nach dem Krieg rief Fritz Ufermann, den Gott mit seiner Familie nach Wissenbach geführt hatte, den Kindergottesdienst und den Gemischten Chor wieder neu ins Leben, spielte Harmonium und Orgel und gründete den Posaunenchor im Jahr 1948, während der Amtszeit von Pfarrer Link (1948 – 1952).
Im Jahr 1949 wurde die Kirche renoviert und anschließend mit viel Eigeninitiative unter besonderem Einsatz von Alfred Holighaus das Jugendheim gebaut, das im Dezember 1950 eingeweiht wurde.

1951 bekam die Kirche eine neue  Glocke als Ersatz für die im 2. Weltkrieg Weggeholte, mit der Inschrift: „Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!“ Gegossen wurde sie von der Firma Rincker in Sinn und die Konfirmanden durften mit Pfarrer Link dabei sein. Ein Bibeltext wurde gelesen und ein Gebet gesprochen und dann wurde mit den Worten: „In Gottes Namen lasst es rinnen!“ und aus Schillers Gedicht ‚Die Glocke‘: „Stoßt den Zapfen aus! Gott bewahr‘ das Haus!“  das heiße, flüssige Kupfer – Zinn Gemisch durch Rinnen in die Glockengussform laufen gelassen. Im Juli konnte die Glocke dann auf einem geschmückten  Auto des Wissenbacher Autobauers, der Firma Manderbach, unter den Klängen des Posaunenchors ins Dorf geholt werden.

In der Amtszeit von Pfarrer Otto Kammer (1952 – 1954) wurde die Orgel angeschafft. Bis dahin wurden die Lieder im Gottesdienst mit einem Harmonium begleitet. Wer sich durch Spenden an der Finanzierung der Orgel beteiligen wollte, konnte sich einzelne Teile eines Bildes der Orgel für DM 2,- pro Stück kaufen. Wenn das Bild fertig war, hatte man mit 36 Puzzleteilen eine Orgelpfeife zum Preis von 72,00 DM finanziert.

1954 wurde das Kirchspiel Frohnhausen aufgelöst und es entstand die Kirchengemeinde Wissenbach und Nanzenbach mit einer eigenen Pfarrstelle.
1956 wurde der Sitz des Pfarramtes nach Nanzenbach verlegt und dort ein Pfarrhaus gebaut, weil dies die größere Gemeinde war.
Von hier aus betreute Pfarrer Strack 9 Jahre lang (1956 – 1965) die beiden Gemeinden. In dieser Zeit wurden umfangreiche Renovierungsarbeiten in der Kirche durchgeführt. So wurden die Sitzbänke so angeordnet, dass an Stelle von 2 schmalen Gängen ein neuer breiter Mittelgang entstand, und der hell- und dunkelgraue Farbton hielten Einzug. Für die Kanzel und den neuen Altar entwarfen und bestickten die Mitglieder des Mädchenkreises die neuen Paramente, die auch heute noch unsere Kirche schmücken. Ebenfalls erneuert wurden das Altarkreuz, die Kerzen und Abendmahlskelch, -kanne und -teller. Und da nicht mehr, wie es vorher üblich war, zu Hause getauft wurde, wurde auch unser heutiges Taufbecken gekauft, das die viel kleinere, leichte Taufschale ersetzte.

Im Zuge einer Neuordnung im Dekanat wurde 1967 Wissenbach eine selbstständige evangelische Gemeinde, pfarramtlich verbunden mit der ebenfalls selbstständigen Gemeinde Eiershausen.

Als junger Pfarrvikar trat Burkhard Heim am 1. April 1967 die neu geschaffene Pfarrstelle an und wurde der am längsten amtierende Pfarrer in der Wissenbacher Kirchengeschichte.
Gleich zu Beginn seiner Amtszeit standen umfangreiche Sanierungsarbeiten im Gebälk des Kirchturms und am Mauerwerk der Kirche an und der Neubau des Pfarrhauses wurde begonnen (1968).

Am 4. April 1976 wurde das ebenfalls neue, direkt hinter der Kirche errichtete Gemeindehaus eingeweiht. Sobald das Gemeindehaus fertig war, wurde eine Warmluftheizung in die Kirche eingebaut und die Innenwände bekamen einen neuen Anstrich.


(eine Zusammenfassung aus „Evangelische Kirche Wissenbach 1881 – 1981″ und  Erinnerungen von Zeitzeugen)